MitläuferInnen statt Mitarbeitende: Wie Konformitätsdruck Unternehmen lähmt
Wie toxische Unternehmenskulturen die Schwarmintelligenz unterdrücken
In vielen Unternehmen begegnen Führungskräfte und Mitarbeitende dem Phänomen des Konformitätsdrucks – ein unsichtbarer, aber wirkungsvoller Mechanismus, der Menschen dazu zwingt, sich anzupassen. In toxischen Unternehmenskulturen wird dieser Druck besonders spürbar. Hier werden Mitarbeitende oft nicht als Individuen mit eigenem Potenzial, sondern als MitläuferInnen gesehen, die sich der herrschenden Meinung unterordnen müssen. Doch welche Folgen hat das? Und wie lässt sich der Zusammenhang zwischen Konformität und einer ineffizienten, unter Druck stehenden Organisation erklären?
Um diese Fragen zu beantworten, lohnt sich ein Blick auf sozialpsychologische Experimente, die bereits in den 1960er und 1970er Jahren durchgeführt wurden und bis heute als warnende Beispiele dienen. Die Experimente von Stanley Milgram und Philip Zimbardo haben gezeigt, wie leicht Menschen unter Autoritäts- und Gruppenzwang bereit sind, ihre moralischen Grundsätze aufzugeben und zu „MitläuferInnen“ zu werden. Was lässt sich daraus für die moderne Arbeitswelt ableiten?
Die Macht des Konformitätsdrucks: Lehren aus der Psychologie
Das Milgram-Experiment, durchgeführt in den 1960er Jahren, hat eindrücklich gezeigt, wie stark der Einfluss von Autoritäten auf das menschliche Verhalten ist. Milgram bewies, dass Menschen unter massivem Druck bereit sind, Anweisungen zu folgen, selbst wenn diese Anweisungen offensichtlich unmoralisch oder schädlich sind. Auch das Stanford-Prison-Experiment von Philip Zimbardo aus dem Jahr 1971 bestätigt die schockierende Bereitschaft von Individuen, sich den sozialen Rollen und Machtstrukturen zu unterwerfen.
Was haben diese Experimente mit der Arbeitswelt von heute zu tun? Sie zeigen, wie Konformitätsdruck Menschen dazu bringt, ihre eigene Meinung zu unterdrücken und sich autoritären Strukturen bedingungslos anzupassen.
In toxischen Unternehmen geschieht genau das: Die Mitarbeitenden handeln nicht mehr eigenständig, sondern unterliegen dem Druck, sich anzupassen und den Erwartungen der Führung zu entsprechen. Sie werden zu MitläuferInnen, die ihre Individualität und Kreativität zugunsten von Gehorsam und Anpassung aufgeben.
Autoritätsformen in toxischen Unternehmenskulturen
In Unternehmen lässt sich der Konformitätsdruck in zwei grundlegenden Autoritätsformen beobachten:
1. Die Amtsautorität
In streng hierarchischen Organisationen, wie dem Militär oder der Polizei, aber auch in vielen Unternehmen, dominiert die sogenannte Amtsautorität. Diese Form der Autorität basiert auf der Position und dem Titel in der Hierarchie. Mitarbeitende stehen hier unter starkem Druck, sich den Anweisungen der Vorgesetzten zu fügen, auch wenn diese Anweisungen nicht hinterfragt oder als ungerecht empfunden werden. In solchen Strukturen entwickeln sich oft informelle Subsysteme, in denen eine „Hidden Agenda“ entsteht – eine Art Gegenkultur, die sich den offiziellen Hierarchien widersetzt.
2. Die Fachautorität
Neben der Amtsautorität existiert auch die Fachautorität, die auf Fachkompetenz basiert. In Organisationen wie Krankenhäusern, in denen Fachwissen eine zentrale Rolle spielt, werden Mitarbeitende oft durch die fachliche Überlegenheit ihrer Vorgesetzten unter Druck gesetzt. Besonders problematisch ist dies in Fällen, in denen beide Autoritätsformen zusammenkommen, wie bei Chefärzten, die sowohl hierarchisch als auch fachlich über den anderen Mitarbeitenden stehen. Diese doppelte Autorität erhöht den Konformitätsdruck und kann zu einer gefährlichen Arbeitskultur führen, in der eigenständiges Denken und Handeln unterdrückt werden.