
Studie: Organisationales Vertrauen
In einem 2008 durchgeführten Projekt, in der Finanzdienstleistungsbranche wurde das organisationale Vertrauen als kritischer Erfolgsfaktor identifiziert.
Kontext:
Es war gerade die Zeit der Bankenkrise, kurz nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers und den darauffolgenden Turbulenzen im Finanzsektor. Unser Projekt hatte einen sehr engen Zeitrahmen und die Mitarbeitenden waren sehr kritisch, was die Transformationspläne des Managements betraf. Ein großer Teil der Mitarbeitenden musste auf stattliche Boni verzichten und daher machten sich existenzielle Sorgen breit.
Maßnahmen:
Um das Vertrauen in die Organisation zu stärken und die Transformation nicht zu gefährden, wurde ein Raum zur Verfügung gestellt, der jeden Tag mit einem Mitarbeitenden der oberen Führungsebene besetzt war. Hier konnten sich alle Mitarbeitenden anmelden, die Fragen zur bevorstehenden Transformation hatten.
Gleichzeitig wurde eine interne Kommunikationsstrategie entwickelt, die besonders auf die Befindlichkeiten der Mitarbeitenden Rücksicht nahm. Es wurden viele Gespräche geführt, die dadurch entstanden, dass Führungskräfte sich im Büro ihrer Mitarbeitenden anmeldeten und einfach nur fragten, wie es ihnen geht. Diese Gespräche wurden in einem Training mit den Führungskräften simuliert und eingeübt.
Der Titel des Seminars hieß: „Gespräche mit einem Freund.“ Zu Beginn waren die Führungskräfte sehr zurückhaltend, da sie Angst davor hatten, ihren Status durch diese Gespräche zu gefährden. Um sie aus ihrer Komfortzone zu holen, war bei jedem Training einer der Vorstände als Teilnehmer anwesend. In einem weiteren Seminar lernten die Führungskräfte sich selbst und ihre Mitarbeitenden vor möglichen psychischen Gefahren zu schützen. Damit leistete die Organisation einen wichtigen Beitrag zur mentalen Gesundheit ihrer Mitarbeitenden.
Ergebnis und Ausblick:
Um es kurz zu machen, am Ende des Transformationsprozesses hatte sich das Verhältnis der Führungskräfte zu ihren Mitarbeitenden über alle Hierarchieebenen verbessert. Da wir vor Beginn und nach Abschluss eine Befragung aller Beteiligten durchgeführt haben, war das Ergebnis valide. Der Transformationsprozess war hart und hätte ohne diese Maßnahmen laut Meinung der Mitarbeitenden nicht zu diesem Erfolg geführt. Einer der Vorstände sagte in einer Abschlussrede nach erfolgreicher Transformation, dass diese schwierige Zeit das Beste war, was dem Unternehmen passieren konnte. Er bedankte sich bei seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dafür, dass sie das Unternehmen vermenschlicht haben.
Kurz nachdem wir dieses Projekt beendet hatten, durfte ich einen Vortrag bei einem Managementkongress halten. Ich sprach über das Projekt und regte die anwesenden Führungskräfte an, die Wünsche und Bedürfnisse der Mitarbeitenden mit den Zielen der Organisation in Einklang zu bringen und dabei auf die mentale Gesundheit ihrer Belegschaft Rücksicht zu nehmen.
Kaum hatten die Worte meinen Mund verlassen, schrie mich aus der ersten Reihe ein älterer Herr an. Aus seiner Sicht bedeutete mein Vorschlag, dass in dieser Kultur der Schwanz mit dem Hund wedelt. Das zustimmende Gelächter aus dem Publikum hat mir klar vor Augen geführt, wie weit der Weg noch ist, den viele unserer Unternehmen und Organisationen noch vor sich haben. Einige, da bin ich mir sicher, werden ihr Ziel nicht erreichen.
