Warum es uns schwer fällt die richtigen Entscheidungen zu treffen
Wie uns unser Gehirn in die Irre führt
Vor allem als Führungskraft und gerade in Krisenzeiten ist es wichtig situativ richtige und gute Entscheidungen treffen zu können. Ein Umdenken, das in solchen Situationen oft benötigt wird, fällt aber den meisten nicht immer leicht.
Schuld daran ist unser Gehirn. Unser Gehirn ist ein faszinierendes Organ, das in Millisekunden komplexe Informationen verarbeitet und uns durch den Alltag navigiert. Doch so beeindruckend seine Fähigkeiten auch sind, es hat seine Eigenheiten und auch seine Nachteile – eine davon ist die ständige Tendenz, Prognosen zu erstellen. Diese Vorhersagen beeinflussen nicht nur, wie wir die Welt wahrnehmen, sondern auch, wie wir Entscheidungen treffen. Oft führt uns dieser „prognostische Modus“ jedoch in die Irre und erschwert es, situativ die besten Entscheidungen zu treffen.
Warum ist das so?
Biologisch gesehen hat die Neigung des Gehirns, in Prognosen zu denken tiefe Wurzeln in der Evolution. In einer Zeit, in der schnelle Entscheidungen oft über Leben und Tod entschieden, war es von entscheidender Bedeutung, zukünftige Ereignisse vorherzusehen.
Um über unser Leben zu wachen, muss unser Gehirn vorausdenken, das heißt es antizipiert Ereignisse, die in der Zukunft liegen, schätzt deren Gefahren ein und entwickelt vorausschauend Strategien, um diese abzuwehren. Die Fähigkeit Prognosen über die Zukunft zu stellen ist Teil unseres evolutionären Erbes. Werden potenzielle Gefahren vorhergesehen, können wir diese vermeiden. Dies gibt uns ein Gefühl der Sicherheit und verhindert, dass wir uns in einem ständigen Angstzustand befinden. Trifft eine Prognose zu, aktiviert dies unser Belohnungssystem und wir erleben ein Gefühl der Freude.
Während wir versuchen zukünftige Ereignisse vorauszusehen, ist unser Gehirn sehr aktiv. Auch für externe Prognosen ist unser Gehirn sehr empfänglich. Dieses prognostische Denken wird heute durch das Zusammenspiel verschiedener Hirnregionen gesteuert, insbesondere durch den präfrontalen Kortex, der für das Planen und Entscheiden verantwortlich ist, und das limbische System, das emotionale Reaktionen steuert. Gemeinsam helfen sie uns, Informationen zu verarbeiten und auf der Basis unserer Erwartungen zu handeln.
Der Aktienmarkt kann hier als gutes Beispiel dienen. Menschen, die mit Aktien handeln, sind nahezu süchtig nach Prognosen. Die Ursache dafür ist, dass sich selbst professionelle Anleger nie sicher sind, ob ihre Entscheidung für oder gegen einen Kauf richtig oder falsch ist. Diese Ungewissheit erzeugt ein Gefühl der Angst, Fehlentscheidungen zu treffen. Was liegt also näher, als sich auf Prognosen zu stürzen, die das vermeintliche Chaos im Kopf in eine einigermaßen verlässliche Struktur verwandeln. Letztendlich sind Prognosen auch nur eine subjektive Momentaufnahme, doch je mehr Menschen dieselben Prognosen lesen, umso häufiger wird eine Aktie gekauft. Das führt zu steigenden Kursen und bestätigt die Prognosen.
Damit sind wir nun bei der Aufmerksamkeitsrichtung und der sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Was, wenn die steigenden Kurse aus den Prognosen ausbleiben? Dann verlassen wir uns auf neue Prognosen, wahrscheinlich von einem anderen Experten. Warum? Weil wir glauben, dass Prognosen das Einzige sind, woran wir uns orientieren können. Außerdem fühlt es sich besser an, wenn wir im Kollektiv falsche Entscheidungen getroffen haben und wir uns gemeinsam über die Unwägbarkeiten des Finanzsystems beschweren. Statt unabhängig zu agieren, neigen wir dazu unser Verhalten der Allgemeinheit anzupassen. Dieses Herdenverhalten gehört zu den kognitiven Verzerrungen, denen wir in unterschiedlichsten Bereichen begegnen. Besonders dramatisch hat sich das Herdenverhalten zur Jahrtausendwende gezeigt, als der „Neue Markt“ förmlich implodierte.
Die Tücken des Vorhersagemodus:
Obwohl diese Fähigkeit in vielen Situationen hilfreich ist, birgt sie auch Herausforderungen. Unser Gehirn neigt dazu, auf Basis vergangener Erfahrungen und erlernter Muster Vorhersagen zu treffen – selbst in Situationen, in denen diese Prognosen ungenau oder unpassend sind.
Ein klassisches Beispiel ist das sogenannte Bestätigungsfehler (confirmation bias), bei dem das Gehirn dazu tendiert, Informationen so zu interpretieren, damit sie unsere bestehenden Überzeugungen bestätigen. Anstatt offen für neue, widersprüchliche Informationen zu sein, sucht unser Gehirn aktiv nach Bestätigungen für das, was es bereits erwartet. Das kann zu voreiligen Schlussfolgerungen und Fehlentscheidungen führen.
Ein weiteres Beispiel ist die Verfügbarkeitsheuristik. Unser Gehirn bevorzugt Informationen, die leicht zugänglich sind das, was uns spontan in den Sinn kommt, wird als wahrscheinlicher und relevanter angesehen. Dies führt dazu, dass wir Risiken und Chancen verzerrt wahrnehmen und Entscheidungen auf Basis einer eingeschränkten Informationsgrundlage treffen.